Das Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz – Neuerungen im Bereich des Straf-, Medien- und Strafprozessrechts

Das Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz (BGBl I 148/2020) trat am 1. Jänner 2021 in Kraft. Die wesentlichen Änderungen im Bereich Straf-, Medien- und Strafprozessrecht werden nachfolgend dargestellt.

Das Gesetz betrifft auch – hier nicht behandelte – zivilrechtliche Änderungen, nämlich die neue Regelung über die Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten (§§ 17a, 20 ABGB) und das Mandatsverfahren wegen erheblicher Verletzung von Persönlichkeitsrechten in einem elektronischen Kommunikationsnetz (§ 549 ZPO) sowie Änderungen zum Auskunftsanspruch nach § 18 Abs 4 ECG.

1. Änderungen im materiellen Strafrecht

Im Bereich des materiellen Strafrechts wurde der Tatbestand des § 107c StGB („Fortdauernde“ statt fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems – „Cybermob-bing“) erweitert. Damit kann auch eine einmalige Tathandlung – beispielsweise das einmalige Abrufbarhalten von ehrverletzenden oder den höchstpersönlichen Lebensbereich beeinträchtigenden Veröffentlichungen im World Wide Web – gerichtlich strafbar sein, so dies die Lebensführung unzumutbar beeinträchtigt.

Nach dem neuen Privatanklagedelikt des § 120a StGB zur Verfolgung unbefugter Bildaufnahmen des körperlichen Intimbereichs („Upskirting“) kann derjenige, der „absichtlich eine Bildaufnahme der Genitalien, der Schamgegend, des Gesäßes, der weiblichen Brust oder der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person, die diese Bereiche gegen Anblick geschützt hat oder sich in einer Wohnstätte oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, ohne deren Einwilligung herstellt“, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tages-sätzen bestraft werden. Wird die unbefugte Bildaufnahme einem Dritten zugänglich gemacht oder veröffentlicht, ist die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu zwölf Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

Der Tatbestand des § 283 Abs 1 Z 2 StGB (Verhetzung) wurde auf Einzelpersonen erweitert, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer in § 283 Abs 1 Z 1 StGB genannten Gruppe in der Absicht, die Menschenwürde der Gruppe oder der Person zu verletzen, in einer Weise beschimpft werden, die geeignet ist, die Gruppe oder die Person in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen.

 2. Anpassungen im Mediengesetz

Das MedienG hat einige Anpassungen in Richtung der Stärkung des Persönlichkeitsschutzes gegenüber Medienveröffentlichungen erfahren:

(a) Der Identitätsschutz des § 7a MedienG wurde auf Angehörige (§ 72 StGB) von Verdächtigen, Verurteilten und Opfern einer gerichtlich strafbaren Handlung ausgedehnt, ferner auf all jene Personen, die Zeugen einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung waren, wobei allerdings insoweit bloß der Name und das Bild geschützt sind, nicht hingegen – wie bei den sonst geschützten Personenkreisen – „andere Angaben (…), die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität einer Person zu führen“ (§ 7a Abs 1a MedienG). In § 7a Abs 2 Z 1 MedienG idF RV wird beispielhaft umschrieben, wann berechtigte Interessen von Angehörigen, Zeugen und Opfern verletzt werden.

(b) Die Entschädigungsobergrenzen nach §§ 6, 7, 7a, 7b und 7c MedienG wurden einheitlich in § 8 Abs 1 MedienG geregelt und zT massiv auf eine Höhe für alle fünf Entschädigungstatbestände von 40.000 Euro, in besonders schweren Fällen der §§ 6, 7, 7c von 100.000 Euro angehoben; zudem wird eine Untergrenze von EUR 100 eingeführt.

(c) Es erfolgte eine Verlängerung der Frist zur Geltendmachung der Ansprüche nach den §§ 6 ff MedienG im selbständigen Entschädigungsverfahren von sechs Monaten auf ein Jahr für Opfer, die von einer Straftat besonders betroffen sind, und auf nahe Angehörige des Opfers eines Tötungsdelikts und Zeugen einer solcher Tat (§ 8a Abs 2 MedienG).

(d) Die Regelungen über die Verjährung (der Strafbarkeit) eines Medieninhaltsdelikts für abrufbare periodische elektronische Medien (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit. b MedienG), also insbesondere Websites, wurde adaptiert, indem festgelegt wurde, dass die Verjährungsfrist zwar mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Verbreitung beginnt, sich aber nach den Fristen des § 57 Abs 3 StGB richtet (§ 32 MedienG).

(e) Dem Arbeit- oder Dienstgeber wurde unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis eingeräumt, einen Antrag auf Einziehung zu stellen, wenn die inkriminierte Äußerung einen Mitarbeiter betrifft, aber eine derartige Intensität erreicht, dass die Möglichkeiten des Arbeit- oder Dienstgebers, die Person einzusetzen, nicht unerheblich beeinträchtigt oder das Ansehen des Arbeit-oder Dienstgebers erheblich geschädigt werden könnten. Er bedarf dafür nicht der Zustimmung des Arbeit- oder Dienstnehmers
(§ 33a MedienG).

(f) Hat der Medieninhaber seinen Sitz im Ausland oder ist er aus anderen Gründen nicht greifbar, so hat das Gericht auf Antrag des Anklägers oder des Antragstellers im selbstständigen Verfahren dem Host-provider die Löschung der betreffenden Stellen der Website (Einziehung oder Beschlagnahme – §§ 33, 33a, 36) oder die Veröffentlichung der Teile des Urteils (§ 34) aufzutragen (§ 36b MedienG).

(g) Die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung kann künftig auch in selbständigen Verfahren
(§ 8a) über Entschädigungsansprüche (§§ 6, 7, 7a, 7b und 7c MedienG) sowie über Ansprüche auf Einziehung und Urteilsveröffentlichung gewährt werden (§ 41 Abs 8 MedienG idF RV).

3. Anpassungen im Strafprozessrecht

Auch im Strafprozessrecht sind Anpassungen erfolgt, ua folgende:

(a) Zur Ausforschung des Beschuldigten im Privatanklageverfahren wegen einer Straftat der üblen Nachrede (§ 111 StGB), des Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) oder einer Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden, kann das Opfer bei Gericht (§ 31 Abs 1 Z 6) einen Antrag auf Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen nach § 76a oder § 135 Abs 2 Z 2 StPO stellen; damit wird eine wesentliche Rechtsschutzlücke im Privatanklageverfahren geschlossen, wenn auch eingeschränkt auf Delikte, die durch Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen werden. Die Bestimmung des § 71 StPO wurde gänzlich neu gefasst.

(b) Bei Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) und einer Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen werden, ist der Privatankläger oder Antragsteller nur dann kostenersatzpflichtig, wenn er den Vorwurf wissentlich falsch erhoben hat (§ 390 Abs 1a StPO). Die Änderungen in § 390 Abs 1a und § 393 Abs 4a StPO betreffend den Entfall der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers wurden vorerst befristet bis 31. Dezember 2023 eingeführt und werden hinsichtlich der praktischen Anwendung der neuen Regelungen im Privatanklageverfahren für Opfer von Hass im Netz evaluiert werden.

(c) Wird ein Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) oder Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden, auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendigt, so hat im Hauptverfahren der Privatankläger dem Angeklagten alle Kosten der Verteidigung zu ersetzen (§ 393 Abs 4a StPO).

Verfasst von RA Dr. Peter Zöchbauer, Wien